Montag, 24. November 2008

Found objects

Bush Park


Was wegen der spätnachmittäglichen Lichtverhältnisse und des Blitzes so aussieht wie eine Kindentführung in einer TV-Krimiserie, ist wahrscheinlich in Wirklichkeit ganz harmlos. Und zwar haben ja einige Babies diese tiefe Abneigung dagegen, Socken und Schuhe zu tragen. Das äußert sich in der Angewohnheit, sich zu jeder sich bietenden Gelegenheit eben diese abzustreifen.

Drei Stunden vor meiner Entdeckung des Zwergenturnschuhs im Herbstlaub hat sich daher auf dem Spielplatz vermutlich folgendes abgespielt:

Protagonist Klein-Mikey, professioneller Sulky-Fahrer. Es könnte auch Klein-Lilly gewesen sein. Da der Turnschuh allerdings mittelblau ist und viele der kleinen Hosenmätze, die ich hier bis dato gesehen habe, sehr geschlechtsrollenkonform angezogen worden waren, tippe ich trotzdem auf Klein-Mikey. Klein-Lilly saß zu der Zeit wahrscheinlich gerade auf der nur wenige Schritte entfernten Schaukel und beanspruchte die ganze Aufmerksamkeit von Mama/ Papa/ Opa/ Oma/ Babysitter. Und genau diesen Moment hat Klein-Mikey abgewartet, er hat seine Chance genutzt und, schwupps, war der blöde Schuh aus, ohne dass es jemand gemerkt hätte.

Zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Foto geschossen hatte, stand vermutlich ein ratloses Elter vor einem einschuhigen, triumphierenden Kleinkind.


Die Schaukeln sehen aus wie deutsche auch.



Hier aber etwas Amerikanisches: Verantwortung übernehmen für die Hinterlassenschaften des tierischen besten Freundes (ich hatte erst geschrieben: da können sich die deutschen Hundehalter eine Scheibe von abschneiden... zum Glück ist mir die böse Assoziation vorm Posten des Beitrags noch rechtzeitig aufgefallen *g*)



Ein abschließendes Fast-Winterbild


Was man in den Bildern kaum erahnen kann: wie nett dieses kleine Mini-Wäldchen im Bush Park aussieht. Da die Bäume allesamt knuppelig und krumm sind, dazu stark mit Flechten überwuchert, sieht das bei morgendlichen Nebel oder hellem Sonnenschein sehr stark nach Zauberwäldchen aus. Nun ja, *so* sieht es halt an einem Nachmittag im November kurz vorm Dunkelwerden aus *g*

Dienstag, 18. November 2008

Neulich auf der Mission Street

Dass es Pickup-Hunde gibt, habe ich bereits in meiner ersten Woche hier gelernt. Vielleicht eine kurze Begriffklärung, bevor ich zu meinem Schreckmoment des Tages komme.

Pickup-Hund (der, m.). Der gemeine Pickup-Hund liebt es, Herrchen/Frauchen überall hin zu begleiten. Und Autofahren sowieso. Allerdings darf der Pickup-Hund nicht im Auto selbst mitfahren. Der Pickup-Hund fährt daher immer auf der Ladefläche eines sog. -> Pickup Trucks mit und hält dabei die Schnauze sehr frech in den Wind der Freiheit.

Wie gesagt, am Anfang fand ich das furchtbar unsicher, zum einen für den Hund, zum anderen für die anderen Verkehrsteilnehmer. Mittlerweile habe ich aber noch nie einen Hund erlebt, der doof genug gewesen wäre, während der Fahrt aus dem Pickup zu springen. Pickup-Fahren funktioniert anscheinend für amerikanische Hunde problemlos und es ist vermutlich auch nur wenig unsicherer (für den Hund), als ihn in den deutschen Kofferraum zu verfrachten, wo er ebenso hin- und hergeschleudert wird (ich plädiere hiermit für den Hundekäfig im Auto...). Abgesehen davon, dass Pickup-Hunde einfach lässiger sind als Kofferraum-Kläffer.

Heute hat es mich aber dann doch geschockt. Da cruiste nämlich ein Wagen an mir vorbei, der keine Seitenwände wie ein Pickup Truck hatte, sondern nur eine nackte Ladefläche. Wie die Rampen, die man an Umzugs-LKWs findet. Und auf dieser Ladefläche ein Schäferhund. Am Halsband (oder Brustgeschirr, das konnte man nicht so genau sehen) ein Strick, der mit dem Auto vertäut war. Der Wagen fuhr nicht schnell, da sich der Verkehr gerade an einer Ampel staute, so dass der Hund das Bremsen durch verlagern seines Gewichts ausgleichen konnte bzw. durch hin- und hertapsen.
Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn der Wagen mal schneller fährt.
Zum Glück habe ich da im Moment nur die Comic-Version vom hinter dem Auto herflatternden Hund vor Augen. Gezeichnet ist das lustig. Aber in Realität sicherlich qualvoll.

Samstag, 15. November 2008

Spätherbsttage

Da es nach einem verregnetem Wochenanfang nun das schönste Wetter gibt, habe ich gestern noch einen Spaziergang zum Fluss unternommen (Willamette River), einmal quer durch Downtown und den Riverside Park. Ist ja alles recht überschaubar ;)

Das folgende Bild ist nicht besonders, aber farblich so eine schöne Winterankündigung. In den Geschäften ist inzwischen nämlich schon Weihnachten eingezogen. Mitsamt den Schneemännern, die es hier ja eigentlich nie geben kann, ohne Schnee (ob sich in südafrikanischen und australischen Schaufenstern auch Schneemänner herumtreiben?).



Downtown

Ein weiteres
Wandgemälde. Das gefällt mir in seiner naiven Darstellung sehr gut. Diese Art von Malerei trifft die Kunst des Nordwestens und das Willamette Valley sowieso. Und diese Felder wie rotgrüne Ringelsocken sind einfach niedlich.



Detail



Auf dem Weg ist mir übrigens der Sheriff begegnet, mit poliertem Sheriffstern und Absatzschuhen. Und jede Faser seines Körpers wusste, dass er Sheriff war. Ich muss bei Sheriffs ja immer an sadistische Fieslinge denken. Was Horrofilme aus uns machen. Und der Fall Rodney King, natürlich.


Am Fluss

Den Sheriff habe ich nicht fotografiert. Aber das Gefängnis.



Passend dazu haben wir: Es geschah am helllichten Tag in der Salem-Version.


Und das andere Flussufer, weil ich Silhouetten von Winterbaumkronen mag. Gerade die oben links ist so richtig schön Tim Burton-gekringelt.


Ich habe gefühlte drei Stunden damit verbracht, auf ein patriotisches Flattern der Flagge zu warten. Die wollte aber nicht so recht. Deswegen schreibe ich jetzt auch keinen Kommentar zur Wahl dazu. Pah.



Mittelpunkt des Parks ist übrigens ein Riesenglobus.


Diese Erdkugel hat sicherlich ihre Macken (die stereotypen Bildchen, die alte koloniale Zuordnungen wieder aufwärmen), aber eine Sache ist prima. Und zwar rückt sie die Verhältnisse zurecht. In den Atlanten und Landkarten für den europäischen (oder US-am. Markt) sind entweder Europa oder die USA im Mittelpunkt. Dementsprechend tun die Kartenzeichner so, als wäre die nördliche Hemisphäre viel größer als die südliche. Dass Europa im Gegensatz zu Afrika winzig ist, fällt meist gar nicht auf.

Im Riverside Park guckt man aber ausnahmsweise aus Südpol-Perspektive auf die Erde. Und da sieht man erst einmal, wie groß Südamerika im Gegensatz zu den USA ist und Afrika zu Europa. Europa sieht man nämlich fast nicht, nur Italien so’n Stückchen.

Zu guter letzt: Willkommensgruß.

Das ist doch mal nett. Nix mit „Betreten verboten!“, „Hunde anleinen!“, „Blumen anpacken verboten!“, „Keine Kinder frei herumlaufen lassen!“. Sondern „Hallo, das hier ist ein Park für euch. Genießt euren Tag. Und passt auf, die Stufen könnten glatt sein.“

Donnerstag, 13. November 2008

Zwar hat das nur begrenzt etwas mit diesem Blog zu tun, aber ich habe es gerade im Genderblog gesehen, finde es so toll und es spricht ja sehr für Oregon, gell?

In Silverton, Oregon ist nämlich die erste transgender Bürgermeisterin gewählt worden. Nach Obama also noch ein mutiger Schritt in hoffentlich aufgeschlossenere Zeiten.

Dienstag, 11. November 2008

Im Himmel gibt es mehr Cookies als du essen kannst.

Es regnet immer noch. Pessimisten sagen: das bleibt jetzt so bis zum Frühling. Aber meine Wochenendkrise habe ich inzwischen endgültig überwunden. Neben dem Spontanausflug nach Portland haben dann auch noch Sport, Süßes, Essays zuende schreiben und ein paar nette Gespräche geholfen. Und auf Vancouver freuen, das sind nämlich nur noch zwei Wochen.

Samstag, 8. November 2008

Planspiele

Heute Mittag tippte ich ziemlich verzweifelt in mein LJ:

„Mir fällt hier gerade die Decke auf den Kopf. Ich denke, ich nehme spontan den Zug, der in einer halben Stunde nach Portland fährt. Alleine.
"Lagerkoller" und Heimweh.
Außerdem regnet es aus Eimern. Ganz eklig.
Und wenn ich die 30$ für den Zug nur dafür bezahle, mich in Portland in ein Café zu setzen und in den Regen rauszustarren. Egal. So eine Art von Melancholie ist mir im Moment lieber, als hier auf dem Zimmer zu sitzen oder bemüht small talk zu machen.
Wenn man einsam in Cafés in Portland sitzt, sieht man wenigstens Erwachsene und der Kaffee ist besser. In einem Café in einer Stadt zu sitzen und zu lesen ist nun einmal etwas anderes, als das Gleiche hier zu tun. Wirklich.
Am liebsten wäre mir im Moment ein Café, das altmodisch-verschroben eingerichtet ist und so klein, dass es nur drei Tische gibt, und ein Buch mit der Atmosphäre von "In the mood for love". Dabei möchte ich eins der tollen Kleider von Maggie Cheung in besagtem Film tragen und auf eine entrückte Art und Weise unglücklich aussehen.
Ich glaube, ich nehme den nächsten Zug und ziehe zumindest hochhackige Stiefel an.“

Das habe ich dann auch wirklich so gemacht.

Bereits die Hinfahrt hat mir gut getan. Die Landschaft leuchtete in grellsten Herbstfarben (trotz verhangenem Himmel) und war schlichtweg liebenswert. Ich kann ja stundenlang einfach nur Landschaft lieben. Deswegen fahre ich auch so gerne Zug: eine große Menge an Landschaft wird am Fenster vorbeitransportiert, während man sich gemütlich zurücklehnt. Und die ist hier ja in Oregon besonders schön und abwechslungsreich. Und dann noch Herbst. Mir ging es also sofort besser. Dem Wetter übrigens auch, hinter Salem hörte nämlich der Regen auf.

Auf der Zugfahrt sind mir auch wieder die vielen Gärtnereien aufgefallen. Ich glaube, das Willamette Valley ist der größte Baum- und Strauchlieferant der USA. Es gibt hier Riesenfelder voller schnurgerader Reihen von Sträuchern und Baumschulen mit SchülerInnen in allen Altersklassen, von Krabbelgruppe bis Universität. Letztere vermutlich für Parkanlagen, das sind richtig „ausgewachsene“ Bäume :)

In Portland dann (natürlich!) strahlender Sonnenschein. Mittlerweile glaube ich fest daran, dass das gute Wetter ein Herz mit mir hat. Inzwischen war ich sowieso schon bester Laune, von der ganzen Landschaft und dem Gefühl, erfolgreich einem langweiligen, depressiven Salem-Samstag ein Schnippchen geschlagen zu haben.

In Portland wollte ich eigentlich in das Cowboy-Museum, aber das war zeitlich nicht mehr zu schaffen, zumal ich mich verlaufen habe. Ich bin dann in Portland spazieren gegangen, habe einen leckeren Spinatsalat mit ein paar Schafskäsekrümelkes und gerösteten Pinienkernen gegessen und mir von dem Weihnachtsgeschenk-Geld meiner Oma bei GAP einen wunderschönen grauen Faltenrock (leicht militärisch und sitzt wie für mich geschneidert) gekauft. Und habe mir gutaussehende Menschen angeguckt und wurde von gutaussehenden Menschen zurück angeguckt. Das hat sehr gut getan. Bin weiter durch Seitenstraßen flaniert, wobei ich etliche wunderbare Shops entdeckt habe, die ich noch nicht gesehen hatte. Gothic-Läden, Secondhand Bücherläden, alternative Kneipen, Streetart-Läden, eine Disco,… alles aber nicht so schick und edel wie in Seattle, sondern eher mit dem eigenen Selfmade-Zusammengesucht-Charme. Das mag ich ja auch sehr.

Dann habe ich auch die Café-Situation durchgespielt. Natürlich nicht im Starbucks, sondern mit Bedacht ausgewählt. Ein gemütliches Café, recht klein und wirklich etwas verschroben-zusammengesucht wirkend. Nicht so extrem, wie in meiner Vorstellung, aber vor dem Eingang stand ein rauchender Metaller mit Ledermantel und Hut und drinnen gab es gepiercte, tätowierte Barristas, guten Kaffee und…. gute Musik. Nicht wie „In the mood for love“, sondern Indie mit südosteuropäischem Folklore-Einschlag. Und ich war auch nicht unglücklich, sondern habe mich gefühlt wie eine Katze, wenn es Wolle regnet.

Auf dem Rückweg habe ich dann noch bei Powell’s reingeschaut und den zweiten Farside-Band von Gary Larson gekauft. Dabei ist mir noch etwas Lustiges passiert. Und zwar habe ich beim Betreten des Ladens gepiepst. Einer der Verkäufer hat mich dann zu sich gewinkt, sehr höflich, und ich wusste auch sofort, woran es gelegen hat (schon auf dem Hinweg bin ich bei Powell’s gewesen und habe gepiepst, allerdings war so ein Andrang, dass es niemandem aufgefallen ist). Ich hatte nämlich noch zwei DVDs aus der Uni-Bibliothek im Gepäck, die ich auf dem Weg zum Zug noch hatte abgeben wollen. Okay, ich habe das dem Verkäufer erklärt, die DVDs abgegeben, noch einmal – ohne Piepsen – durch die Sicherheitsschranke gegangen, und habe eine Nummer bekommen, um die Filme beim Verlassen des Ladens zurückzubekommen.

Nach Stöbern und Bezahlen von Larson (eigentlich ist Powell’s echt teuer für gebrauchte Bücher...) habe ich dann artig meine DVDs wieder abgeholt und bin gegangen (übrigens war der Verkäufer nun der gleiche, der mich auch beim ersten Mal in Portland bedient hat… so ein kleiner Punker). Und piepste. Wortlos umgedreht, unaufgefordert zurück zum Verkäufer, das gleiche Sprüchlein wie zuvor, DVDs ausgehändigt, noch einmal durch die Sicherheitsschranke. Der Punk-Verkäufer gottergeben mit den Filmen hinterher wie der Page hinter dem König *g*

Auf dem Rückweg dann auf einmal Jazzmusik in der Straße. Ich gucke durch ein vermeintliches Schaufenster und es ist ein Restaurant mit Life-Auftritt, eine ganze Jazzcombo. So richtig amerikanisch, wie man das aus Filmen kennt: schreiend roter Flitter-Vorhang im Hintergrund, Jazzer in schwarzen Anzügen (und Fliege), alles leuchtet grell und golden im Scheinwerferlicht, besonders das Saxophon rechts außen. Dazu wohlgesittet speisende Leute. Klasse.

Auf dem Rückweg hat der Zugführer gesagt, wenn jemand das Rauchverbot missachtet, muss er in ein Gefängnis in Sibirien. Neben blöden Witzen wie diesen, die ich trotzdem lustig finde, gibt es außerdem Durchsagen, die die Passagiere auf Eigentümlichkeiten der durchquerten Landschaft hinweisen. Auf den Willamette River zum Beispiel. Jedesmal, außer im Dunkeln. Weil man dann den Fluss eh nicht sieht. Das ist ebenfalls so amerikanisch, kommt aber leider nie in Filmen vor.

Jetzt liege ich bester Laune auf meinem Bett und finde, dass die 30$ es wert gewesen sind.

Montag, 3. November 2008

Seminare halten ist besserwissern mit Zertifikat.

Neue Fotos gibt es leider nicht, da ich mit meiner Erkältung versuche, möglichst wenig vor die Tür zu gehen, es regnet nämlich und ist echt kalt.
Dafür habe ich heute meine erste "richtige" Stunde unterrichtet, über einige Methoden der Literaturwissenschaft. Die an US-Unis, zumindest an dieser hier, nicht wirklich unterrichtet werden. Das finde ich sehr schade und habe das deswegen nachgeholt, natürlich in einer stark reduzierten Version, denn bei uns haben wir dafür ein Semester lang Zeit. Und ich hatte nur 90 Minuten.
Der Grad der Beteiligung ist anders - höher. Zwar habe ich manchmal das Gefühl, dass es es auch dadurch motiviert sein könnte, etwas sagen und Interesse demonstrieren zu müssen, aber grundsätzlich empfinde ich es als positiv und denke, dass die Studenten hier mehr daran gewöhnt sind, dass ihre Meinung etwas wert ist. Demokratieideal und so. Als Lehrende empfinde ich es angenehm: selbst, wenn dann halt manchmal etwas oberflächliche Antworten kommen, kann man doch mehr Nutzen daraus ziehen, als aus überlegenem Schweigen. Und wenn man sich selbst dazu anhält, einen Wortbeitrag zu leisten, beschäftigt man sich zwangsläufig mit dem Text oder der Idee (oder Methode ;)). Und das ist ja schon einmal mehr, als sich die Möglichkeit zu geben, sich gar nicht mit dem Text auseinanderzusetzen (die Entscheidung fällt dann ja meistens zu Ungunsten des Textes aus *g*).
Entgegen aller Befürchtungen (Hustenanfall! Taschentuch vergessen! Stimme versagt!) ist alles gut gegangen und ich bin sehr zufrieden mit mir als auch mit den Studenten, die sehr gut mitgearbeitet haben. Auf die nächste Stunde freue ich mich daher, auch wenn ich da morgen (hoffentlich bei besserer Gesundheit) noch ein wenig Arbeit reinstecken muss. Arbeitsblätter machen und so.